*** Dieser Krimi erscheint am 26. Februar 2025. ***
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Bea prustete laut. Auch Juliane grinste breit – und im gleichen Moment gellte ein schriller Schrei durch die Höhle, der den beiden Freundinnen durch Mark und Bein ging.
»Was war das?«
»Das … das war Lara!«
»Mein Gott!« Panisch sah Juliane sich nach allen Seiten um. »Lara!«, schrie sie. »Lara, was ist passiert, wo bist du?«
»Hier!«, erklang eine Stimme aus einiger Entfernung. »Hilfe! Hilfe!!«
»Das kommt aus der Richtung!« Bea packte Juliane am Arm und riss sie mit sich. »Los, komm!«
Sie rannten, so schnell es auf dem feuchten Boden ging, in die Richtung, aus der sie den Hilfeschrei gehört hatten, und riefen dabei immer wieder laut »Lara, wir kommen!«. Dann sahen sie von weitem ihre Freundin, die wie wild mit beiden Armen wedelte und ihnen auf den letzten Metern entgegenstürzte.
»Lara – um Himmels willen, was hast du denn?«
Lara war kreideweiß, ihre Augen starr vor Schreck. Mit zitternden Fingern zeigte sie auf eine Treppe, die von dem Hauptweg abzweigte.
»Da …«
Und dann sah Juliane das Blut, das die Treppenstufen herunterlief.
*
Surendra Sinha hastete durch den strömenden Regen in Richtung Nebelhöhle, während er Leonies Nummer wählte und das Smartphone an sein Ohr hielt.
»Ich bin jetzt da. Wo bist du?«
»In dem überdachten Außenbereich vom Maultaschenwirt, links vom Höhleneingang. Zusammen mit den Zeuginnen, die die Leiche gefunden haben.«
»Gut. Ich komme.«
Er wischte die Regentropfen von dem Smartphone und schob es in seine Jackentasche.
Jetzt bekamen sie offenbar noch eine zweite Höhlenleiche auf den Schreibtisch. Gütiger Himmel.
Es war am 13. September 2022. Seit knapp zwei Jahren lebte ich auf der Schwäbischen Alb und hatte noch immer so einige Orte und Sehenswürdigkeiten in meiner neuen Heimat auf meiner To-Visit-Liste. Warum ich an diesem Dienstag beschloss, den Punkt "Wimsener Höhle" abzuhaken, könnte ich heute nicht mehr sagen. Aber warum ich danach auch noch erst die Bärenhöhle und anschließend die Nebelhöhle bei Sonnenbühl besichtigt habe, weiß ich genau: weil ich an dem Tag höhlensüchtig geworden bin und nicht genug bekommen konnte von diesen prächtigen Naturschönheiten. Am Ende des Tages hatte ich eine Drei-Höhlen-Tour hinter mir – und eine neue Krimi-Idee in der Schublade: "Höhlenmorde".
Zu der Zeit arbeitete ich gerade an dem "Rattenweihnacht"-Manuskript, und danach wartete bereits das Projekt Theaterkrimi auf mich, aus dem am Ende "Viel Tod um nichts" wurde. Die Höhlenmorde mussten also noch warten … aber eine Plotidee dafür hatte ich bereits und arbeitete sie nebenbei immer weiter aus, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden war. Nach Abschluss des Theaterkrimis war ich so schön in Schwung, dass ich mich sofort auf das neue Projekt stürzte – zumal ich eine Idee für das Intro hatte, die ich sofort niederschreiben musste. Was ich auch tat. Und das Ergebnis fasziniert mich nach wie vor.
Dann begannen die Probleme. Erst entwarf ich zwei verschiedene Einstiege in die Hauptgeschichte, fand beide gut und konnte mich deshalb lange nicht entscheiden, welchen der beiden Wege ich verfolgen sollte. Dann hing ich im dritten Kapitel fest, und es war ein zäher Kampf, bis ich hineinfand und zu einem Ergebnis kam, mit dem ich zufrieden war. Hoffnungsvoll nahm ich das vierte Kapitel in Angriff, versuchte mehrere verschiedene Einstiege, aber keiner überzeugte mich. Einmal mehr legte ich das angefangene Manuskript frustriert beiseite, wie ich es während dieser ersten Kapitel schon mehrfach getan hatte – für Tage, für Wochen, schließlich für Monate, als ich in eine Krise rutschte und ernsthaft überlegte, mit dem Schreiben ganz aufzuhören.
Aber da war auch dieses Bedauern über einen Plot, den ich wirklich gut fand, und das Intro, das letzten Endes verschwendet zu haben ich mir wahrscheinlich nie verziehen hätte. Als die Sommersaison 2024 im Naturtheater Hayingen zu Ende ging (wo ich in "No it hudla!" mitgespielt, dabei sehr viele Exemplare von "Viel Tod um nichts" an die Theaterbesucher verkauft und in der Zeit keinen Strich geschrieben habe), habe ich die "Höhlenmorde" mal wieder aus der Versenkung geholt und die ersten mühsam konstruierten Sätze von Kapitel 4 gelesen, bei denen ich zuletzt abgebrochen hatte. Und ich verstand sehr gut, warum – ich fand sie nach wie vor nicht gut.
Und plötzlich war sie da, die neue Idee, die alles veränderte. Ich begann wieder zu schreiben – und beendete das vierte Kapitel in Rekordzeit. Und machte sofort weiter. Der Knoten war geplatzt, und ich geriet in einen Flow, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. Einen Monat lang hab ich fast jeden Tag weitergeschrieben, täglich mehrere Stunden lang, als wollte mein innerer Schreiberling binnen kürzester Zeit aufholen, was ich zuvor monatelang verbummelt hatte. Durchschnittlich entstand in diesem Monat alle zwei Tage ein neues Kapitel. Manche schrieben sich sogar an nur einem einzigen Tag. Und ich wurde nicht müde dabei, meine Konzentration ließ nicht nach. Wenn ein Kapitel fertig war, hab ich es noch mal überarbeitet, dann ins Manuskript kopiert und umgehend das nächste angefangen. Es war beinahe unheimlich. Offensichtlich hatte die Geschichte genug von der ewigen Warterei in der Schublade und wollte endlich raus. Und ich brannte von Tag zu Tag mehr darauf, sie bis zum Ende zu erzählen. Als es schließlich so weit war und ich am 26. September 2024 das ENDE in die Tastatur hackte, hatte ich dank dieses kreativen Flows dreizehn Kapitel innerhalb eines Monats geschrieben. Persönlicher Rekord.
Wenn ich mich an meinen anfänglichen zähen Kampf um diese Geschichte erinnere, der dieses Projekt letzten Endes um Monate verzögert hat, dann denke ich im Nachhinein, dass es vielleicht so sein sollte – dass die Geschichte reifen musste, dass ich selbst reifen musste. Wenn ich jetzt das Ergebnis anschaue, dann bezweifle ich ernsthaft, dass ich das vor einem Jahr so hätte schreiben können. Und ich bin über diese meine "Höhlenmorde" einfach nur glücklich.